Essays und Kurzgeschichten


Alfred Polgar, zweisprachige Ausgabe
ins Russische übertragen von Irina Berman

Der österreichische Schriftsteller, Aphoristiker, Kritiker und Übersetzer Alfred Polgar kam 1873 in Wien zur Welt. Er lebte und arbeitete als Journalist und Autor in Wien und – in den 1920er Jahren überwiegend – in Berlin. 1933 floh er über Prag und Wien nach Frankreich, bevor er 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika emigrierte. 1949 kehrte er nach Europa zurück und lebte in Zürich, wo er 1955 gestorben ist. Vor allem seine kurzen Prosastücke wurden schon von seinen Zeitgenossen geschätzt und machten ihn berühmt. Hier schreibt der scharfe Beobachter Polgar über Dinge, Städte Landschaften – und vor allem über Menschen: witzig und sprachlich virtuos.

Die Auswahl der Essays und Kurzgeschichten für diese zweisprachige Ausgabe ist in ihrer Vielfalt, aber auch in der meisterhaften Übersetzung von Irina Berman eine geeignete Lektüre nicht nur für jene, die Deutsch oder Russisch lernen wollen, sondern für alle interessierten Leserinnen und Leser, die bereits beide Sprachen beherrschen. Polgars Werke werden hier in der originalen Rechtschreibung abgedruckt, so, wie sie im Band „Alfred Pogar. Das große Lesebuch“ bei Rowohlt 2004 erschienen sind.

135 Seite, broschiert
deutsch – russisch
ISBN 978-3-9503914-1-1

Euro 14,50 falter shop

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Leseprobe


Der Hase
Der Schneidermeister Sedlak brachte Anfang November einen Hasen nach Hause. »Füttere ihn gut«, sagte er zu seiner Frau, »auf daß er fett und stark werde und wir zu Weihnachten einen Braten haben.«
Ob der Schneidermeister »… auf daß« sagte, ist nicht sichergestellt. Aber dem Sinn nach lautete seine Rede so, wie ich sie hier wiedergebe. Frau Sedlak selbst hat sie mir gleich andern Tages, nachdem der Hase ins Haus gekommen war, berichtet.
Frau Sedlak ist die bravste Frau, die jemals für eine fremde Wirtschaft Sorge getragen hat. Sauberkeit ohne Fehl wirkt ihre geschäftige Hand, und Kleider, Wäsche, Schuh, von ihr betreut, sprächen, wenn sie reden könnten, gewiß: »Mutter« zu ihr.
Sie besitzt kein Kind. Aber als der Hase kam, da hatte sie eins.
Sie erzählte viel von seiner Possierlichkeit und seiner Zutraulichkeit und wie er auf den Pfiff herbeikäme und mit welcher Neugierde und mit welchem Interesse er ihr mit den Augen folge. Und wenn er auch Schmutz und Arbeit verursache, sie trüge diesen kleinen Mühezuwachs gern um des Spaßes willen, den das Tier mit seinen Kapriolen und seiner nimmermüden Spiellust bereite.
Der Hase erhielt eine alte Kiste zur Wohnstatt und Abfälle von Küchenabfällen zur Nahrung. Die Küchenabfälle selbst kommen auf den Sedlakschen Mittagstisch.
Und der Hase gedieh. Er bekam einen Bauch und volle Backen. Frau Sedlak erzählte, ihrem Mann laufe das Wasser im Mund zusammen, sooft er das Tier nur ansehe. Ihr lief es in den Augen zusammen, wenn sie dachte, welchem Schicksal der Hase entgegenschwoll.
Daß er so mächtig Fleisch ansetzte, erfüllte sie wohl mit hausfraulichem Stolz, und daß dem Weihnachtstisch ein Braten gewiß, war ihr keineswegs eine unangenehme Vorstellung. Jedoch Frau Sedlak hatte auch ein Herz im Leibe, nicht nur einen Magen; und was des Magens Hoffnung, wurde des Herzens Not. Frau Sedlak vermutete, daß auch ihr Mann, obschon er’s mit keiner Silbe und keinem Blick verriet, eine heimliche über-materielle Zuneigung für den Hasen im Innersten berge … aber ich glaube, das redete sie sich nur ein, von dem unterbewußten Wunsch getrieben, es möchte der Schneidermeister das Odium der Rührseligkeit auf sich nehmen und den Hasen begnadigen.
Der Schneider dachte nicht an derlei. Er setzte das Datum der Schlachtung fest und verpflichtete den Hausmeistersohn, der die große Kriegsmedaille hatte, zur Metzgertat.
Von dem Augenblick an, da das Urteil über den Hasen unwiderruflich gefällt war, begann die brave Frau über ihn zu schimpfen. Sie sprach von ihm nur mehr per »der Kerl«. Die ganze Wohnung stinke nach ihm, bei Nacht rumore er in seiner Kiste herum, daß man nicht schlafen könne – die Kiste würde längst dringend als Heizmaterial benötigt –, und soviel Kohlstrünke und Gemüsemist gebe es gar nicht, wie der Kerl auf einen Sitz verschlingen könne. Am Ende sei sie froh, daß nun bald Weihnachten käme und der lästige Wohnungsgenosse wieder verschwinde.
Auch über den Fleisch-Ertrag, den sie sich von dem Kerl verspreche, redete sie, doch mit so kummervollem Appetit in der Stimme, daß es klar war, sie übertreibe diese Einschätzung vor sich selbst, um mit dem Gewicht des köstlichen Hasenfleisches ihr Bangen zu erdrücken.


Dem Hasen selbst muß das Dilemma seiner Gebieterin aufgefallen sein. Oder gab ihm, der doch nun einmal dahin mußte, ein höherer Lenker, womit er der Frau für bewiesene Sorgfalt und Güte danken könne? Genug, er tat, der Hase, wie in solcher Lage ein psychologisch geschulter Hase auch nicht anders hätte tun können:
Er biß Frau Sedlak in den Finger.
Freudestrahlend berichtete sie: »Er hat mich in den Finger gebissen.«
Ja, gottlob, nun war unter das Todesurteil, es moralisch stützend, die todeswürdige Tat geschoben. Nun war das verpflichtende Freundschaftsband zwischen Frau Sedlak und dem Hasen von diesem selbst entzweigebissen. Nun war Appetit auf Hasenbraten: Gerechtigkeit. Fiat!
Sie schluckte trotzdem, die Schneidermeistersfrau, als sie von des Hasen Ende erzählte. Sie warf einen scheuen Blick zur Seite bei der Erzählung, als spüre sie, was das heißt, ein atmendes Wesen, einen unbeschreiblich rätselvollen, kompliziertesten, mit Gefühl, Bewegung, Gesicht, Gehör, mit allen heiligen Wundern des Lebens begabten Organismus zu vernichten, damit er von anderer Wesen Mäulern zerkaut und zu Nahrungsbrei eingespeichelt werden könne.
Und es hing noch wie Schleier trauernder Liebe um das Lächeln, mit dem sie sagte: »Schön fett war er.«
Das Fell ist zum Trocknen aufgespannt; es hat seinen Wert. Ein wenig Fett ist noch in der Speisekammer als Superplus des Feiertagsbratens. Die Wohnung stinkt nicht mehr nach tierischem Exkrement. Kein nächtliches Rumoren in der Küche stört den Schlaf der braven Leute.
Aber die alte Kiste ist nicht zu Brennholz zerhackt worden. Sie bleibt Kiste.
Denn Herr Sedlak ist entschlossen, wieder einen Hasen zu erwerben.
Und Frau Sedlak wird, vermute ich, sich vom Fleck weg seelisch so auf ihn einstellen, als ob er sie schon gebissen hätte.

Заяц
Портных дел мастер Седлак в начале ноября принес домой зайца.
«Корми его хорошенько», – велел он жене, «дабы крепчал он и жирел, чтобы было нам к рождеству жаркое».
За то, что портных дел мастер и врямь сказал «… дабы»  – не ручаюсь. Но смысл его речи я уловил верно. Так передала мне ее сама фрау Седлак на другой день после того, как у них в доме появился заяц.
Фрау Седлак – лучшая из женщин, которым можно вверить заботу о чужом хозяйстве. Ее руки все держат в безупречной чистоте, так что и одежда, и белье, и обувь, за которыми она смотрит, называли бы добрую хозяйку, умей они говорить, не иначе, как «матушка».
У нее нет детей. Но с появлением зайца появился и ребенок.
Она много рассказывала о том, какой он потешный и совсем ручной, как он прибегает на свист и с каким интересом наблюдает за всем, что она делает. И пусть от него грязи и работы чуть прибавилось – ее эта лишняя забота не смущает, ведь от этой забавной зверушки, которая так любит поиграться, столько радости!
Старый ящик служил зайцу жильем, а шелуха от кухонных отбросов – кормом. Сами кухонные отбросы идут на обед Седлакам.
И заяц рос на славу. Отрастил себе бока и щечки. Фрау Седлак рассказывала, что у ее муженька начинают течь слюнки, как только ему на глаза попадается заяц. У нее же текли слезы при мысли о неизбежном, навстречу которому жирело животное.
Заяц изрядно прибавил в весе, и это наполняло душу хозяюшки чувством гордости, да и сознание того, что на рождественском столе непременно будет жаркое, вовсе не огорчало ее. Но фрау Седлак жила и сердцем, не только желудком. И то, на что надеялся желудок, камнем лежало на сердце. Фрау Седлак подозревала, что и у ее супруга, хоть он не выдает себя ни словом, ни взглядом, глубоко в душе все же 
гнездится чувство нематериальной привязанности к зайцу… но, по-моему, она себе это просто внушала, подсознательно питая надежду, что портных дел мастер запятнает себя пороком сентиментальности и помилует ее питомца.
Но портной и не думал. Он уже назначил день и договорился с сыном консьержа, получившим на войне большую медаль, которому поручил зарезать животное.
Как только зайцу был вынесен окончательный приговор, от доброй хозяюшки тут же посыпались жалобы на него. Отныне она называла его не иначе, как «этот балбес». И сетовала, что вся квартира уже пропахла его смрадом, что он по ночам возится в своем ящике, спать не дает – да и ящик уже давно пора разломать на дрова, – что на него не напасешься, столько кочерыжек и овощной шелухи этот балбес сжирает в один присест. И вообще, как хорошо, что скоро рождество и она, наконец, избавится от «квартиранта», с которым столько возни.
Говорила она и о том, сколько мяса будет от балбеса, говорила с аппетитом, но голос ее при этом звучал страдальчески, и было ясно, что она нарочно преувеличивает, пытаясь мыслью об отменном куске лакомой зайчатины подавить тоскливую тревогу, которую чувствовала в себе.
Понял ли заяц сам, к какой дилемме он привел свою хозяйку? Или некая высшая сила подсказала ему, уже обреченному, как лучше выразить своей благодетельнице благодарность за проявленную заботу и доброту? Так или иначе, заяц поступил, как поступил бы в подобной ситуации любой сведущий в психологии заяц: он укусил фрау Седлак за палец.
«Он укусил меня за палец», – сообщила та, сияя от радости.
Теперь, слава богу, под смертный приговор нашлось и преступление, послужившее моральным основанием. Заяц собственными зубами перегрыз крепкие узы дружбы, так надежно соединявшие его с хозяйкой. Теперь он заслуживал быть убитым на жаркое во имя справедливости. Fiat!
И все же, когда фрау Седлак поведала мне о кончине зайца, было видно, как что-то сдавило ей горло. Рассказывая, она cтыдливо отводила глаза в сторону, будто чувствовала, что это значит – убить живое существо, умертвить такой неимоверно загадочный, сложный, наделенный чувствами, способный двигаться, видеть и слышать организм со всеми присущими ему таинствами жизни, чтобы он попал в рот других существ, где зубы и слюна превратят его в комок пищи.
А в ее улыбке мелькнула скорбная любовь, когда она сказала: «Много в нем сала было».
Шкурку зайца повесили сушиться, за нее можно будет что-то получить. В кладовой еще стоит застывшая подливка – остатки от праздничного жаркого. В квартире больше не пахнет экскрементами животного. Ночью из кухни не слышно возни, тревожившей сон добрых людей.
Но старый ящик так и не разломали на дрова. Он по-прежнему ящик.
Портных дел мастер Седлак твердо намерен приобрести другого зайца.
А фрау Седлак, подозреваю, с самого начала настроится на нужный лад, чтобы относиться к зайцу так, будто он ее уже укусил.