Diskussion am runden Tisch
Gedrucktes Wort und digitale Technologie
Dina Rubina und Alexander Kabakow gehören zu Russlands angesehensten und bekanntesten Schriftstellern. Auf Einladung des Wiener Verlages „Pereprava“ kamen beide im Mai 2012 nach Wien, um mit Journalisten über ihre Erfahrungen als Autoren und die Veränderungen der Literatur in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt zu sprechen.
Dina Rubina (Jahrgang 1953) hat auf Deutsch bislang zwei Bücher veröffentlicht: „Hier kommt der Messias“ (2001) und „Der letzte Eber aus den Wäldern Pontevedras“ (2005). Ihre Bücher wurden verfilmt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Sie lebt seit 1990 in Israel und gehört in Russland zu den meistgelesenen Autorinnen. Ihr Erfahrungen als junge Schriftstellerin, seinerzeit, mit ihren ersten Publikationen in Zeitschriften mit gigantischen Auflagen sind für ihr Verständnis von Literatur von ebenso großer Bedeutung wie der Umstand ihrer Emigration.
Alexander Kabakow (Jahrgang 1943), lange Zeit als Journalist tätig, der seine literarischen Texte bis zur Perestrojka in die Schublade schrieb, erlangte mit der antiutopischen Novelle „Kein Zurück“ in den 1990er Jahren schlagartig internationalen Bekanntheit. Auf Deutsch erschienen „Schlag auf Schlag“ (1991) und „Moskauer Märchen“ (2007). Als Prosaautor vom alten Schlag schreibt Kabakow jenseits literarischer Moden, kategorisch fern hält er sich auch von politischen Konjunkturen und Schriftstellervereinigungen aller Art.
Russland galt und gilt als Land des „Literaturozentrismus“, als Land mit den meisten Schriftstellern sowie Lesern und Leserinnen – eine Erfahrung, die für beide Autoren im Lauf ihrer Karriere von entscheidender Bedeutung wurde.
Das vom Wiener Literaturkritiker Erich Klein moderierte Gespräch zeichnete die aktuellen rasanten Entwicklungen im Bereich der Literatur in mehreren Anläufen und mit zahlreichen Fragen nach. Etwa:
Was bedeutet das Auftauchen des Mediums Internet für Autoren wie Leser?
Hat die Möglichkeit rascher, unkontrollierter und unkontrollierbarer elektronischer Publikation auf Facebook oder in Autoren-Blogs, Auswirkungen auf Fragen des Geschmacks, auf Ästhetik und Qualität eines Schriftstellers?
Wie verändert sich dadurch das Bild des Autors selbst? Wie sehr verändern E-Book und E-Reader die Schreib- und Lesegewohnheiten und damit auch unser Verständnis von Literatur?
Welche Gefahren sind damit verbunden?
Oder handelt es sich – wie bei allen technischen Neuerungen – nur um übertriebene Befürchtungen von Kulturpessimisten, die heute das Ende des Buches und der Literatur herbeireden und früher oder später kommt alles wieder ins Lot?
Und schließlich die ernste und nicht ganz ernst gemeinte Frage aller Fragen: Wird auch in Russland, wie in allen anderen Ländern der Welt, bald nur noch der Kriminalroman als einziges literarisches Genre übrigbleiben, oder wird sich irgendwann wieder der Humor, die vermutlich wichtigste Eigenschaft von Literatur, durchsetzen?